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Bericht aus dem Grossen Rat

Die Debatte um eine «legislatorische Lächerlichkeit»

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Claudia Rohrer,
Grossrätin SP,
Rheinfelden
Vieles bewegte den Grossen Rat in seiner letzten Sitzung; der Klingnauer Stausee, die zu wenig genutzte Biomasse (also weggeworfene Lebensmittel in Haushalten und Gewerbe, welche zu Biogas umgewandelt werden könnte), die Entsorgung von Solarpanels, das Landfill Mining und am Morgen und zu Beginn des Nachmittags vor allem die Aargauer Volksschule.

Carole Binder-Meury, SP Magden fordert, dass Schulen, die Kinder mit Sonderschulbedarf selbst beschulen, mit zusätzlichen Ressourcen belohnt werden könnten. Das Geld, dass der Sonderschulplatz kosten würde, könnte für die Schule in zusätzliche Ressourcen umgewandelt werden. Damit die Integrative Schule ein Erfolg werden kann, brauchen wir laut Grossrätin Binder-Meury «mehr Ressourcen, mehr schulische Heilpädagoginnen und vor allem flexible, niederschwellige und zeitnahe Lösungen bei Notsituationen an den Schulen». Die Idee ist platziert, aber noch nicht diskutiert. Die Volksschule bewegte. Colette Basler, Grossrätin aus Zeihen, erklärte: «Ressourcen haben wir zu wenig, viel zu wenig. Es gibt Wartelisten und unbefriedigende Situationen, verzweifelte Eltern und Lehrpersonen, die nicht mehr weiterwissen. Die Zunahme von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten sind ein Abbild unserer Gesellschaft.» Die Mehrheit des Grossen Rates lehnte den Vorstoss ab, welcher eine Verschlankung des Sozialpädagogischen Dienstes verlangte. Das Thema wird uns weiter beschäftigen.

Am Nachmittag diskutierte der Grosse Rat, wie im Kanton Aargau mit AVÜ‘s umgegangen werden soll. AVÜ’s sind automatische Verkehrsüberwachungsanlagen, also Blitzer bei Geschwindigkeits- oder Rotlichtübertretungen. Die Lager zeigten sich sehr gespalten, ein Teil des Grossen Rates will diese Themen vollumfänglich den Gemeinden überlassen und keine Regelung vornehmen. Die Gemeinden kennen die neuralgischen Verkehrspunkte und sollen auf ihrem Gemeindegebiet autonome Regelungen treffen können. Andere argumentierten, die Gemeinden dürften ihre Kasse nicht durch die AVÜ’s füllen. Sie wollten über ein Bewilligungssystem klären, dass die Anlagen nur zur Verbesserung der Sicherheit eingesetzt werden können. Wieder andere schlugen vor, die Standorte der AVÜ’s zu beschildern. Nochmals weiter ging die Forderung, dass semi-stationäre Anlagen maximal 72 Stunden aufgestellt werden dürfen. Harry Lütolf, Wohlen, nannte diesen Vorschlag eine «legislatorische Lächerlichkeit». Die Mehrheit des Grossen Rates gab ihm recht und versenkte nach langer Diskussion den Paragraph 36 c. Die Mehrheit will eine für die Gemeinden autonome Regelung. Diese sollen entscheiden, wo sie auf ihrem Gemeindegebiet diese Anlagen aufstellen, ob sie beschriftet sind und wie lange die Anlagen stehen. Die Fraktionen von FDP und SVP stellten nach dieser Streichung die ganze Vorlage in Frage, die Mehrheit des Grossen Rates hiess die Gesetzesänderung in erster Beratung gut.

Anschliessend wurde das Ergebnis des ersten Wirkungsberichts zum Finanzausgleich zwischen Aargauer Gemeinden gewürdigt. Dieser zeigte Anzeichen zur Verbesserung auf, er zeigte auch auf, dass der Finanzausgleich grundsätzlich wirkt. Wohl nicht nur aufgrund der eher warmen Temperaturen im Grossen Rat war diese Diskussion nicht mehr so lebhaft.
KOMMENTAR
Die parlamentarische Arbeit lohnt sich
Die thematische Breite solcher Grossratstage ist enorm und sie ist auch teilweise ermüdend. Zur Vorbereitung werden mehrere hundert Seiten Text digital oder analog gelesen und gewürdigt. Es ist nicht immer einfach, den Debatten zu folgen, die Unruhe im Saal ist gross, die Ablenkungsgefahr ebenfalls. Manchmal hören wir uns nicht und manchmal wollen wir nicht zuhören. Und dennoch, die parlamentarische Arbeit lohnt sich. Immer wieder führen Debatten zu Mehrheiten. Immer wieder geht der Austausch in die Tiefe und die Einigung führt zu einer Verbesserung der Lebenssituation im Aargau. Deshalb freue ich mich immer wieder auf die Arbeit im Parlament. Der Austausch beflügelt und bereichert. Er ist spannend und auch Sie können daran teilhaben. Folgen Sie uns direkt im Live-Stream des Kantons, in den Medien und vor allem auch hier in unseren Berichterstattungen.

CLAUDIA ROHRER, RHEINFELDEN

15. Juni 2023

Co-Präsidentinnen:
Carole Binder-Meury und Lena Waldmeier